Bewegte Kleidung im Stadtlabor des HMF
© Frankfurter Schule für Bekleidung und Mode; Foto: Ivica Cacic

Mode- und Designstandort Hessen: Daten und Fakten

- Teil 1 -

Die Frankfurt Fashion Week feiert Premiere. Frankfurt und Hessen, bekannt als Finanzzentrum, internationale Verkehrsdrehscheibe und Messe- und Handelsplatz, zeigen mit dem Mode-Schwerpunkt eine weitere, neue Facette. Und siehe da: Es passt! Rund 4.400 Unternehmen und ein Gesamtumsatz von 7,4 Milliarden Euro unterstreichen, wie wichtig die Modebranche für den hessischen Wirtschaftsstandort ist. Für alle, die Hessen und Fashion bislang nicht zusammengebracht haben, kommen hier Daten und Fakten.

Sheep to Shop

Worüber reden wir eigentlich, wenn es um Mode geht? Fashion, vom Rohstoff bis hin zum Kleidungsstück macht sehr viel mehr aus als das, was Konsumentinnen und Konsumenten im Einzelhandel und Online-Shops sehen. Einer Definition von Oxford Economics [1] zufolge zählen zur Modebranche:

  • Textilherstellung sowie die Herstellung von Bekleidung und Schuhen,
  • Modeproduktion wie Accessoires, Schmuck und Parfüm,
  • der Modegroß- und Modeeinzelhandel,
  • Werbe- und Marketingdienstleistungen
  • sowie die Veröffentlichung von Textil- und Modezeitschriften.

Die Modebranche kann also durchaus als kreativwirtschaftliche Querschnittsbranche bezeichnet werden.

Blick in die Statistik

Wie wichtig Mode für den hessischen Wirtschaftsstandort ist, zeigen auch die Daten der amtlichen Umsatzsteuerstatistik. Klingt erstmal nach trockener Materie, ist aber im wahrsten Sinne des Wortes ein spannender Stoff.

Im Jahr 2019 erwirtschafteten rund 4.400 Unternehmen im Mode- und Textilbereich einen Gesamtumsatz von 7,4 Milliarden Euro. Das entspricht einem Unternehmensanteil von 1,8 Prozent an der Gesamtheit aller Unternehmen in Hessen und einem Anteil von 1,4 Prozent an dem gesamten Umsatz, den hessische Unternehmen aller Branchen im Jahr 2019 erwirtschaftet haben. Obwohl die Anzahl der hessischen Mode- und Textil-Unternehmen im Jahr 2009 um 31,8 Prozent höher lag, und zwar bei 5.800, konnte sich der Gesamtumsatz der Modebranche von damals 5,2 Milliarden Euro um 42,3 Prozent steigern. [2]

Motor für diese positive Geschäftsentwicklung dürfte vor allem das wertschöpfungsintensive Segment Industrie-, Produkt- und Modedesign [3] sein, das auch Aktivitäten der Modeschöpfung umfasst. Im Zehn-Jahres-Vergleich erhöhte sich die Zahl der Unternehmen in diesem Bereich um 118,1 Prozent auf 277, der Gesamtumsatz stieg um 225,1 Prozent auf 60 Millionen Euro (vgl. Abbildung 1).

Abbildung1_ModestandortHessen

Im Einzelhandel mit Bekleidung hingegen reduzierte sich die Zahl der Unternehmen um 39,8 Prozent auf 232, der Gesamtumsatz sank um 20,2 Prozent auf 153 Millionen Euro. [4] Diese Entwicklung ist sowohl für die Zukunft der Branche als auch der hessischen Innenstädte problematisch. Zunehmende Umsatzverlagerungen vom stationären Einzelhandel in den Online-Handel verschärfen die Lage. Auch bei der Unternehmensgröße zeigt sich im Zehn-Jahres-Vergleich ein Strukturwandel: Der durchschnittliche Umsatz je Unternehmen hat für das Industrie-, Produkt- und Modedesign um 49,1 Prozent und im Einzelhandel um 40,3 Prozent zugenommen, die durchschnittliche Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten je Betrieb ist etwa in der Herstellung von Textilien um 2,4 Prozent zurückgegangen, wohingegen sie in der Herstellung von Bekleidung um 31,0 Prozent zugenommen hat (vgl. Abbildung 2).

Gleichzeitig ist die Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Herstellung von Textilien um 8,1 Prozent gestiegen, während sie in der Herstellung von Bekleidung um 16,6 Prozent zurückgegangen ist. Der merkliche Rückgang der Beschäftigtenzahl in der Herstellung von Bekleidung lässt sich sicherlich damit begründen, dass dieser Fertigungszweig eine vergleichsweise geringe Wertschöpfung aufweist und somit in einem Hochlohnland wie Hessen eher geringe Geschäftspotenziale eröffnet.

Abbildung2_ModestandortHessen_neu

Nach den Arbeitsmarktdaten der Bundesagentur für Arbeit waren im Jahr 2020 in den hessischen Betrieben des Mode- und Textilbereichs 30.500 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte tätig, was einem Anteil von 8,9 Prozent an der Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Hessen entsprach. Im Vergleich zum Jahr 2016 hat sich die Beschäftigtenzahl um 0,9 Prozent erhöht. Die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten hat schwächer – nämlich um 0,7 Prozent – auf 7.300 zugenommen.

Die internationale Ausrichtung der hessischen Produktionsbetriebe in oben genannten Wirtschaftszweigen ist unterschiedlich ausgeprägt. So lag die Exportquote in der Herstellung von Textilien im Jahr 2019 bei 46,0 Prozent und in der Herstellung von Bekleidung bei 26,6 Prozent. Je nach Branche gelingt es offenbar in unterschiedlichem Maße, auch über die Ausfuhr von Gütern Gewinne zu erzielen.

Fashion-Know how

Bleiben wir beim Thema Internationalität: Frankfurt ist seit rund 800 Jahren als zentraler internationaler Messeplatz bekannt. Nicht zuletzt finden hier jährlich zahlreiche Textil- und Modemessen statt, die Fachbesucherinnen und -besucher aus aller Welt in die Mainmetropole strömen lassen. Die Frankfurt Fashion Week befindet sich somit in bester Gesellschaft. Einige wichtige Messen aus dem Textil- und Modebereich sind:

  • heimtextil (nächster Termin: 11. bis 14. Januar 2022)
  • SEEK Contemporary Fashion Trade Show (nächster Termin: 19. bis 21. Januar 2022)
  • Techtextil (nächster Termin: 21. bis 24. Juni 2022)
  • Texprocess (nächster Termin: findet parallel zur Techtextil statt)
  • Ambiente (nächster Termin: 11. bis 15. Februar 2022)
  • Tendence (nächster Termin: 2022)

In Hofheim am Taunus findet zudem jährlich die INNATEX, Europas größte internationale Fachmesse für nachhaltige Textilien, statt (nächster Termin: 31. Juli bis 02. August 2021). Offenbach ist der Standort der ILM - Internationale Lederwaren Messe, die als führende Fachmesse für Lederwaren, Taschen, Reiseartikel und Accessoires gilt (nächster Termin: 4. bis 6. September 2021).

Mit dem internationalen Textil-Netzwerk Texpertise setzt die Messe Frankfurt darüber hinaus mit Partnern unter anderem in Paris, Shanghai, Moskau oder New York Impulse für die gesamte textile Wertschöpfungskette. Mit einem Portfolio von aktuell 58 internationalen Textilmessen ist die Messe Frankfurt weltweit Marktführer für Fachmessen der Textilbranche. Im Jahr 2019, also noch vor Beginn der Pandemie, nahmen mehr als 23.000 Aussteller und mehr als 600.000 Besucherinnen und Besucher an den Veranstaltungen rund um den Globus teil. Die Messe Frankfurt arbeitet seit 2019 im Rahmen des "Texpertise Networks" mit der Conscious Fashion Campaign und dem United Nations Office for Partnerships zusammen und unterstützt die nachhaltigen Entwicklungsziele der UN. Die Ziele werden sukzessive auf Textilveranstaltungen weltweit vorgestellt, um die drängendsten globalen Herausforderungen in der Textil- und Modebranche sichtbar zu machen.

Starkes Design-Netzwerk

In der hessischen Kreativwirtschaft bildet Design einen unverkennbaren Schwerpunkt. Zahlreiche Designerinnen und Designer sowie Verbände haben hier ihren Sitz und prägen mit ihrer Arbeit die Welt, in der wir leben. Der Rat für Formgebung als eines der weltweit führenden Kompetenzzentren für Kommunikation und Wissenstransfer im Bereich Design, Hessen Design e.V. sowie branchenbezogene Vereine und Netzwerke wie der Deutsche Designer Club (DDC) e.V. haben ihren Sitz in der Rhein-Main-Region und vermitteln ihre umfangreiche Expertise in vielfältigen Projekten und Events. Mit dem German Design Award, der Hessen Design Competition und dem Wettbewerb Gute Gestaltung wird exzellentes Design noch sichtbarer.

Die genannten Initiativen setzen sich nicht zuletzt für die Förderung des hessischen Design-Nachwuchses ein. Beim diesjährigen Hessen Design Competition von Hessen Design e.V. etwa konnte die junge Designerin Emilie Burfeind die Jury mit Sneature (Fotos), einer Art Socken-Turnschuh, der auf nachhaltige Materialien setzt und vollkommen biologisch abbaubar ist, überzeugen. Ein weiterer Nachwuchswettbewerb für Fashion und Design ist der FRANKFURT STYLE AWARD.

Durch die digitale, parametrische Gestaltung werden Individualisierungen und Anpassungen durch die Nutzer ermöglicht.
© Emilie Burfeind
Durch die digitale, parametrische Gestaltung werden Individualisierungen und Anpassungen durch die Nutzer ermöglicht.
Die Kombination aus natürlichen, biologischen Materialien mit innovativen Fertigungsmethoden macht Sneature zu einer nachhaltigen Alternative für die Fußbekleidung.
© Emilie Burfeind
Die Kombination aus natürlichen, biologischen Materialien mit innovativen Fertigungsmethoden macht Sneature zu einer nachhaltigen Alternative für die Fußbekleidung.

Der 1907 gegründete Deutsche Werkbund spielt bei der Verknüpfung von Design mit einem normativen Qualitätsbegriff eine herausragende Rolle. Er ist in Hessen zweimal vertreten: der Deutsche Werkbund e.V. als Dachorganisation in Darmstadt und der Deutsche Werkbund Hessen als Landesbund mit Sitz in Frankfurt am Main.

Kompetenz von morgen

Apropos: In Hessen gibt es innovative Hochschulen und Berufsschulen, die für vielfältige Berufe im Modebereich ausbilden. Studienmöglichkeiten im Bereich Fashion Management bieten sich in Frankfurt etwa an der International School of Management (ISM), an der Akademie DEUTSCHE POP, an der Hochschule Macromedia sowie am EC Europa Campus. In Wiesbaden bietet die AMD Akademie Mode & Design als Teil der Hochschule Fresenius neben Fashion Management auch Textilgestaltung & Mode Design als Bachelor-Studiengang an.

Auch an Hochschulen mit kreativen Studiengängen werden zukünftige Beschäftigte im Modebereich qualifiziert. So finden auch Absolventinnen und Absolventen der verwandten Studiengänge "Graphikdesign & Kommunikationsgestaltung" sowie "Industriedesign & Produktgestaltung" nicht selten eine berufliche Beschäftigung in der Modebranche. Ein entsprechendes Studienangebot haben die Universität Kassel mit der Kunsthochschule, die Hochschule für Gestaltung in Offenbach, die DIPLOMA - FH Nordhessen in Bad Sooden-Allendorf (Priv. FH), die DIPLOMA - FH Nordhessen in Kassel (Priv. FH) und die h_da HOCHSCHULE DARMSTADT in Darmstadt. Dies gilt auch für die Standorte der Hochschule RheinMain und der Akademie Mode & Design AMD an der Hochschule Fresenius in Wiesbaden sowie auch die European School of Design und die Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft Berlin in Frankfurt (Priv. FH).

Die Elisabeth-Knipping-Schule in Kassel, die Max-Eyth-Schule in Alsfeld, die Frankfurter Schule für Bekleidung und Mode und die Modeschule Gießen bilden etwa Änderungsschneiderinnen, Maßschneider, Textil- und Modenäher sowie Textil- und Modeschneiderinnen aus. Nimmt man ausgewählte Segmente der Textil- und Modebranche in den Blick, so lässt sich im Hinblick auf das Jahr 2020 für den Einzelhandel mit Bekleidung eine Gesamtzahl von rd. 470 Auszubildenden feststellen, verglichen mit ca. 120 für die Herstellung von Textilien und rd. 50 für die Herstellung von Bekleidung (vgl. Abbildung 3). Was die Zahl der Ausbildungsabsolventinnen und -absolventen betrifft, so gab es im Jahr 2020 hessenweit für das Berufsbild Maßschneider/-in 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit bestandener Abschlussprüfung; in den Berufszweigen Produktionsmechaniker/-in (Textil) und Änderungsschneider/-in waren es fünf bzw. zwei Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Im Zehn-Jahres-Vergleich ist die Zahl der erfolgreichen Abschlussprüfungen in der Mehrheit der betreffenden Ausbildungsgänge zurückgegangen.

Abbildung3_ModestandortHessen

In eigener Sache

Weitere Interviews, Gastbeiträge und News zum Thema Mode aus Hessen veröffentlichen wir in den kommenden Wochen hier im Magazin-Bereich. Auch Themen aus den anderen Branchen der Kreativwirtschaft finden hier Platz. Für Hinweise, worüber wir unbedingt berichten sollten, haben wir stets ein offenes Ohr via kreativwirtschaft@hessen-agentur.de


Fußnoten

[1] Oxford Economics & Fashion Council Germany (2021): Status deutscher Mode 2021. Online verfügbar: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/Studien/status-deutscher-mode-2021.pdf?__blob=publicationFile (Abruf: 26.05.2021), S. 11.

[2] Für die aggregierten Angaben zur Zahl der Unternehmen, zu Unternehmensumsätze und zur Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten finden bei der Branchenabgrenzung die nachfolgend genannten Wirtschaftszweige Berücksichtigung: 13 Herstellung von Textilen, 14 Herstellung von Bekleidung, 15 Herstellung von Leder, Lederwaren und Schuhen, 32.12.0 Herstellung von Schmuck, Gold- und Silberschmiedewaren (ohne Fantasieschmuck), 46.16 Handelsvermittlung von Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren, 46.41.0 Großhandel mit Textilien, 46.42 Großhandel mit Bekleidung und Schuhen, 47.82.0 Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen an Verkaufsständen und auf Märkten sowie 74.10.1 Industrie-, Produkt- und Mode-Design.

[3] Aus Gründen der Datenverfügbarkeit ist eine separate Ausweisung des Modedesigns ohne Industrie- und Produktdesign nicht möglich, sodass lediglich die Gesamtentwicklung angegeben werden kann.

[4]
In der Umsatzsteuerstatistik sind Einzelunternehmen ausgewiesen, das heißt die zahlreichen hessischen Filialen großer Modeketten sind nicht enthalten.

Headerbild: Bewegte Kleidung im Stadtlabor des Historischen Museum Frankfurt, Foto von Ivica Cacic
© Frankfurter Schule für Bekleidung und Mode

Veröffentlicht: 02.07.2021


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