Henni_Nachtsheim
© Biggi Schmidt

Gude, Henni!

Interview mit Hendrik "Henni" Nachtsheim

Henni Nachtsheim ist als Teil des Comedy-Duos "Badesalz" bekannt. Der Comedian, Musiker und Autor sprach mit uns über sein kreatives Schaffen, die hessische Kultur und die Grenzen von Humor.

Brauchen Sie die Bühne?

Ich mag die Bühne und habe großen Respekt vor ihr. Sie ist wie eine Freundin, die immer gut zu mir war. Mir ist aber völlig klar, dass ich mich irgendwann freundschaftlich von ihr verabschieden werde, und das ohne Tränen. Denn die Bühne verlangt mir viel Kraft und Konzentration ab, und dazu kommt dieses Lampenfieber, das ich tatsächlich nie ablegen konnte. Wenn ein Auftritt gut gelaufen ist, bin ich zufrieden, aber ich flippe nicht aus.

Badesalz gibt es seit Herbst letzten Jahres auch abseits der Bühne als Internetradio. Tausende Hörerinnen und Hörer waren bei der Premiere live dabei. Was ist die Idee dahinter?

Relativ einfach heruntergebrochen haben wir einen Weg gesucht, um während Corona in Kontakt zu unseren Leuten zu bleiben und sie einmal in der Woche zu unterhalten. Es ist der Versuch, unsere Arbeit aufrechtzuerhalten, um etwas zu machen, das mit uns zu tun hat!

Wie geht Humor in herausfordernden Zeiten wie diesen?

In den ersten Wochen und Monaten von Corona waren viele ­Kolleginnen und Kollegen in Schockstarre. Ich hatte das Glück, dass mich der SWR angefragt hat für ein Projekt namens »Humoroffice«. Die Idee war, das Publikum aufzuheitern. Der Ansatz gefiel mir. Gerd war das zu früh, ihm fehlte der emotionale Abstand zu der Situation. Also habe ich es allein gemacht. Entstanden ist eine Serie über ein altes Ehepaar im Lockdown »Käthe und Konrad in Quarantäne!«. Geplant waren vier Folgen, am Ende gab es 16, die ich noch an zwei weitere Sender verkaufen konnte. Das war mein Humorbeitrag in der Coronazeit, wodurch ich auch für mich selbst das Thema aufarbeiten konnte. Im Oktober haben wir eine zweite Staffel produziert, diesmal mit Gerd!

Wie unterscheidet sich der Solo-Künstler Henni Nachtsheim von Badesalz?

Gemeinsam auf der Bühne sind wir eine Melange, solistisch zeigen wir jeder andere Seiten von uns. Gerd geht eher mit raueren Themen, Gewalt und Ungerechtigkeiten, auf die Bühne. Bei mir sind es Geschichten aus meiner Kindheit und Jugend, oder ich rede über Fußball, zum Beispiel darüber, wie es ist, Eintracht-Fan zu sein.

Eintracht ist ein gutes Stichwort: 1991 haben Sie mit Badesalz den Antirassismus-Sketch »Anthony Sabini« herausgebracht. Wie kam es dazu?

Ich war im Stadion beim Relegationsspiel Eintracht Frankfurt gegen den 1. FC Saarbrücken. Bei Saarbrücken spielte der Ghanaer Anthony Yeboah, ein unglaublich guter Stürmer. Alle wussten, wenn uns einer in die zweite Liga schießen kann, dann er. Einige Eintracht-Fans haben Bananenschalen auf die Aschebahn geworfen und Affenlaute gemacht, wenn er am Ball war. Das war schlimmster Rassismus. Ich bin vor Scham fast gestorben. Da rief neben mir einer: »Hey Leute, habt ihr einen Knall? Wisst ihr nicht, dass er nächste Saison bei uns spielen wird?« Da steckten die Typen ihre Bananen weg und murmelten (wechselt ins Frankfurterische): »Na ja, schlescht isser ja net.« Die kippten in ihrer Meinung also innerhalb von Sekunden. Am Abend habe ich das Gerd erzählt, und es war direkt klar, so nehmen wir das auf die nächste Platte. Natürlich haben wir es auf unsere Weise nacherzählt und uns die Sprüche zum Teil ausgedacht. Aber die Szene an sich, die gab es real.

Haben Sie also den Anspruch, mit Ihrem Humor Botschaften zu vermitteln?

Der leider viel zu früh verstorbene große Frankfurter Kabarettist Matthias Beltz sagte mal über uns, wir seien die schwimmende Grenze zwischen Kabarett und Comedy. Das trifft es wahrscheinlich. Wir haben ein Herz für die kleinen Leute und demaskieren gerne mal die großen Arschgeigen.

Aber ohne erhobenen Zeigefinger. Natürlich haben wir eine Haltung, aber wir verfolgen keinen Anspruch im Sinne von »Hört, was Badesalz zu sagen hat!«. Wenn wir eine Botschaft haben, wie im Falle von »Anthony Sabini« auf Rassismus aufmerksam zu machen, darf sie nie langweilig erzählt sein. Wenn uns also nichts Raffiniertes einfällt, dann lassen wir Themen – auch jene, die wir für wichtig halten – bleiben.

Zur Intention muss zwingend eine gute Ausführung kommen, ein überraschender Moment, der so nicht erwartbar war.

»Wir haben ein Herz für die kleinen Leute und demaskieren gerne mal die großen Arschgeigen.«

Henni Nachtsheim

Ist Humor in besonderer Weise dazu geeignet, unbequeme Wahrheiten auszusprechen?

Unbedingt, Comedy lebt davon. Die Leute wollen das Erlebnis haben, dass da einer etwas ausspricht, das sie selbst nicht sagen würden.

Und wo hört der Spaß auf?

Tabu sind für uns Äußerlichkeiten von Menschen. An Inge Meisel haben sich damals einige Leute abgearbeitet, als sie älter wurde. Warum sollte man Witze über eine gestandene Frau machen, nur weil sie alt geworden ist? Wir werden doch alle älter. Noch ein Beispiel: Über die Kelly Family wurden zu Beginn ihrer Karriere viele Sprüche gemacht, das sei die Hippie-Familie, die sich nicht wäscht. Das fanden Gerd und ich billig und reaktionär.

Brauchen Sie dennoch manchmal ein Korrektiv, im Sinne der Frage: Kann ich das so machen?

Ja, beim Entwickeln vom letzten Programm gab es ein paar ­Stellen, an denen wir genau diese Frage diskutiert haben.

Haben Sie ein Beispiel für uns?

In einer Büttenreden-Parodie sagt meine Figur sinngemäß (wechselt ins Frankfurterische): »Die Fraue könne heut selber wähle: wolle se erst spüle oder Kartoffele schäle.« Gerd vertrat die Meinung, das sei als Parodie auf den Chauvinismus in Büttenreden ganz klar erkennbar. Ich hatte Sorge, unser weibliches Publikum würde das nicht sehen. Gerd hat mich letztlich überzeugt, trotzdem hatte ich wahnsinnig Bammel vor dieser Szene.

Wie ging es aus?

Gerd hatte Recht behalten, in der Halle gab es einen Aufschrei vor Gelächter. Die Szene blieb im Programm.

»Zur Intention muss zwingend eine gute Ausführung kommen, ein überraschender Moment, der so nicht erwartbar war.«

Henni Nachtsheim

Die Presse ist sich einig: Badesalz gehört zu Hessen wie Apfelwein und Handkäs. Da liest man sogar, Sie seien ein »Parade-Hesse«. Verstehen Sie sich als Hessen-Botschafter?

Ja, absolut. Natürlich neben anderen Kolleginnen und Kollegen. Mit Ali Neander habe ich 1984 ja auch »Die Hesse komme!« ­getextet. Die Liebe zu Hessen ist unbestreitbar und treibt meine Arbeit an.

Welche Bedeutung hat Heimat für Sie?

Spätestens nach zwei Wochen im Urlaub bekomme ich tierisches Heimweh. Nach der Sprache, nach der Mentalität, einfach nach Hessen. Nicht nur mein Wohnort ist für mich Heimat. Ich finde auch Frankfurt super, überhaupt das Rhein-Main-Gebiet. Ich darf hier seit fast 40 Jahren spielen, kenne fast jeden Ort. Dadurch habe ich einen hoch emotionalen und dankbaren Bezug hierher. Vor ein paar Jahren haben die Hessen die beliebtesten Komiker Deutschlands gewählt. Wir waren auf Platz eins. Da waren wir schon e bissi stolz! Wenn die Heimat so großzügig mit dir umgeht, dann prägt das natürlich auch dein Gefühl.

Dialekten wird immer wieder prophezeit, sie seien Auslaufmodelle. Verstehen Sie es als Ihren Auftrag, den hessischen Dialekt zu pflegen und bekannt zu machen?

Ich bin kein Dialekt-Romantiker, die Zeiten verändern sich und damit auch Sprache. Aber ich würde es doch bedauern, wenn das Hessische verschwindet. Weil es so charmant und lustig ist, manchmal auch eine gewisse Derbheit hat und Dinge anders transportiert, als das im Hochdeutschen möglich ist. Solange es Badesalz gibt, werden wir das Hessische pflegen. Und ich nehme es so wahr, dass wir für viele Menschen eine Legitimierung sind, ebenfalls hessisch zu sprechen.

Gibt es ein Wort im Hessischen, das Ihnen besonders gefällt?

Ich mag die Begrüßung »Gude«. Das heißt so viel wie »Hallo mein Lieber, wie geht’s dir«. Mit diesem einen Wort ist alles gesagt. Das gibt es nur bei uns. Und das Schöne, es erlebt heute eine Renaissance! Ich höre es viel öfter als noch vor 20 Jahren.


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Hendrik »Henni« Nachtsheim

Comedian, Musiker und Autor

Henni Nachtsheim war Mitglied der Band Rodgau Monotones. 1984 gelang der Durchbruch mit dem Album »Volle Lotte« und »Erbarmen, zu spät, die Hesse komme!«. Bei einem Doppelkonzert mit der Frankfurter Band »Flatsch!« lernte er Gerd Knebel kennen und gründete mit ihm das Comedy-Duo »Badesalz«. In der Coronapandemie hat das Duo sein eigenes »Radio Badesalz« gestartet, dessen wöchentliche Folgen auch als Podcast zu hören sind. Henni Nachtsheim ist Buchautor und interviewt für das TV-Format »Eintracht Heroes« Spieler und Mitarbeiter des Vereins Eintracht Frankfurt.


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