Green Producing
© MAPP media GmbH

Green Producing in der Film- & Werbebranche

Fang mit dem an, was dir am leichtesten fällt. Diesen Rat kann man jeder Firma geben, die das Thema Nachhaltigkeit mehr in ihren Arbeitsalltag einbringen möchte. Im Folgenden ein Beispiel aus der Medienbranche.

Das Thema Nachhaltigkeit hat schon seit ein paar Jahren Einzug in die Film- & Medienbranche gehalten. Doch erst seit Anfang 2022 nimmt das Thema richtig Fahrt auf: Dies kommt vor allem durch das aktualisierte Filmförderungsgesetz und die Integration der ökologischen Mindeststandards in einigen Förderanstalten und Sendern. Man merkt, es hat sich ein Bewusstsein für den Umgang mit vorhandenen Ressourcen sowie ökologischen und ökonomischen Einsparpotenzialen entwickelt. Dies macht mich als Green Consultant Film & TV natürlich besonders glücklich.

Doch wie ist das umsetzbar und welche Rolle spielt der oder die Green Consultant? Als Green Consultants beraten wir Produzentinnen und Produzenten, wie sie ihre Produktionen nachhaltiger gestalten und ihren CO₂-Abdruck reduzieren können – und dabei kommt es nicht darauf an, ob es ein Kinospielfilm, ein Dokumentarfilm oder ein Werbefilm ist. Am Ende ist die Arbeit dieselbe und das Ziel das gleiche. Zu typischen Aufgaben gehört zum Beispiel die CO₂-Soll-Bilanzierung zu Beginn und die CO₂-Ist-Bilanz am Ende des Projektes. Anhand dessen, was der CO₂-Rechner bei der Soll-Bilanz errechnet, kann man schon erkennen, wo das meiste CO₂ während der Produktion anfallen wird und im Vorhinein Maßnahmen ergreifen, um diese zu reduzieren oder sogar völlig zu vermeiden. 

Anschließend beteiligt sich der Green Consultant an der Vorproduktion und bespricht mit den verschiedenen Departments Maßnahmen, die sie in den Bereichen Büros/Gebäude, Catering, Reisen/Transport, Licht/Energie sowie Setdesign und Dekobau umsetzen können. Hier findet meiner Meinung nach die wichtigste Arbeit statt, da man jedes mal wieder mit neuen Menschen zusammenarbeitet, die andere Sichtweisen auf das Thema haben, und natürlich die Maßnahmen nur umzusetzen sind, wenn alle mitmachen. Dennoch war ich in meinen bisherigen Produktionen immer wieder überrascht, wie viele sich schon selbst mit einer nachhaltigeren Arbeitsweise beschäftigt haben und zum Großteil positiv auf mich als Green Consultant reagieren, wenn ich mit meinen Maßnahmen zu ihnen komme. Als erstes erkläre ich dennoch immer, dass ich als Green Consultant nicht dazu da bin, um zu kontrollieren, ob alles eingehalten und richtig umgesetzt wird, sondern im ständigen Austausch mit den Beteiligten bin und bespreche, welche Maßnahmen möglicherweise nicht umzusetzen sind, um dann gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Es ist ein stetiger Prozess und jedes Projekt bringt sowohl den Produzentinnen und Produzenten als auch mir und meinen Kolleginnen und Kollegen Erkenntnisgewinne, die wir entweder sofort oder bei den nächsten Projekten einbringen können. Hier muss auch ich mich gedulden, denn ich sehe noch so viel Potenzial!

Je nachdem wie das Projekt finanziert wird, ist das ganze mehr oder weniger freiwillig, da es ja die ökologischen Mindeststandards bei manchen Filmförderungen und TV Sendern in Deutschland gibt. Für geförderte Filmproduktionen in Deutschland gilt seit Januar 2022 generell laut neuem Filmförderungsgesetz: „Förderhilfen gemäß §59 werden nur gewährt, wenn bei der Herstellung des Films wirksame Maßnahmen zur Förderung der ökologischen Nachhaltigkeit getroffen werden.“ Sowie: „Der Hersteller muss den durch die Produktion verursachten Ausstoß von Treibhausgasen mittels eines CO₂-Rechners nachweisen.“ (Quelle: Bundesanstalt des öffentlichen Rechts (1.1.2022): Filmförderungsgesetz 2022 und ergänzende Vorschriften)

Alle geförderten Produktionen haben also seit letztem Jahr eine Nachweispflicht über die CO₂- Emissionen – ob sie sich nun an die ökologischen Mindeststandards halten oder nicht. Dennoch ist hier noch das Stichwort „gefördert" entscheidend.

»In der Werbebranche beispielsweise gibt es solche Vorgaben noch nicht. Und gerade hier würde es Sinn machen, das Thema noch mehr zu integrieren, da die Drehs viel kürzer und oft aufwändiger sind.«

Dinge werden nur für einen Drehtag gekauft und mit den Ressourcen wird etwas unvorsichtiger umgegangen – eben weil es ja nur ein Drehtag ist.

„It’s just one straw, said 8 billion people.“ Doch wo fängt man nun an, wenn man sich als Filmproduktion oder auch als Werbeagentur nachhaltiger ausrichten möchte?

Die ökologischen Mindeststandards des Arbeitskreises Green Shooting sind dabei ein guter Anfang für mich und meine ehemalige Firma MAPP media GmbH gewesen. Da sich MAPP media GmbH als Kreativagentur und Filmproduktion versteht, haben wir im Sommer 2021 den 30- minütigen Kurzfilm „Erinnerungen einer vergessenen Kindheit“ von Regisseur und Autor Lars Smekal produziert. Der Film thematisiert das Thema Sucht im Elternhaus aus der Sicht eines Kindes und soll nach dem Festival-Run als Teil eines Lehrpakets bei Aktionstagen und Projektwochen an Schulen eingesetzt werden. Das Projekt startete kurz nach Abschluss meiner Weiterbildung als Green Consultant Film & TV an der IHK München und Oberbayern, sodass es mein Pilotprojekt wurde. Da ich gleichzeitig die Produktionsleitung innehatte und damit auch die Finanzen im Blick, konnte ich bei vielen Entscheidungen selbst bestimmen, welchen Weg wir einschlugen.

Der größte Faktor bei der anfänglichen CO₂-Berechnung des Kurzfilms war der Transport. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, nur Cast und Crew aus der Region beim Projekt zu beteiligen und damit lange Autofahrten, Flüge usw. zu vermeiden. Somit konnten wir den CO₂- Ausstoß von ursprünglich kalkulierten 18t auf 3,5t CO₂ reduzieren! Wir orientierten uns an den Maßnahmen der Initiative „100 grüne Produktionen“ und uns wurde dadurch als erste hessische Produktion Anfang 2022 das Label „Green Motion - klimaschonend produziert“ verliehen.

Seit unserer Kurzfilmproduktion 2021 haben wir sukzessive das ganze Unternehmen auf eine nachhaltigere Produktionsweise bei allen Projekten umgestellt. Sich als ganze Firma anzupassen ist einfacher, als jedes einzelne Projekt zu betrachten. Das Stichwort ist hier "Corporate Carbon Footprint" - also alle durch ein Unternehmen verursachten relevanten Treibhausgasemmissionen.

Ein paar Beispiele für Maßnahmen, die wir aus den ökologische Mindeststandards in den Agentur-Alltag übernommen haben, sind die langfristige Umstellung auf Ökostrom, die Integration von Mülltrennsystemen, der Einsatz von Recycling-Papier in allen Bereichen, das Vermeiden von Einwegplastik und der Einsatz von LED Lampen und Akkus statt Batterien. Hinter allem steht ein neues Mindset: das zu nutzen, was man schon hat (Technik, Props, usw.) und nur Dinge anzuschaffen (bestenfalls gebraucht), die man bei zukünftigen Projekten wieder einsetzen kann, ganz im Sinn der Kreislaufwirtschaft. 

»Oft geht man davon aus, dass grün Produzieren teurer ist. Das mag in manchen Bereichen vereinzelt der Fall sein, wenn man jedoch die gesamte Produktion danach ausrichtet, würde ich behaupten, dass sich die Kosten eher verschieben als zunehmen.«

Das setzt jedoch voraus, dass die Produktionsfirma ganzheitlich denkt, auch danach noch Filme produziert und sich langfristig erhalten möchte. Nachhaltig eben! Dadurch, dass wir bei „Erinnerungen einer vergessenen Kindheit“ Cast und Crew regional gesucht haben und Transportwege reduzieren konnten, haben wir nicht nur CO₂, sondern auch Kosten gespart; nämlich Reise- und auch Unterkunftskosten.

Einsparungen setzen oft zeitverzögert ein. Ein Beispiel: LED Lampen zu leihen oder zu kaufen ist möglicherweise im ersten Moment teurer, denn der Strom, der dadurch eingespart wird, zeigt sich erst auf der nächsten Stromabrechnung. Gleichzeitig spart man sich Kühlgeräte, die das Set von der sonst abgestrahlten Wärme der Glühlampen herunterkühlen müssten.

Natürlich klingen diese Gedanken in der aktuellen Energiekrise idealistisch. Dennoch wäre es ein Fehler, sich dem Thema ganz zu verwehren und gleich aufzugeben.

»Es reicht, wenn man klein anfängt, nämlich bei dem, was einem am leichtesten fällt.«

Tipps kann man sich auch im Internet und in einigen Apps holen. Mir persönlich macht das Thema enormen Spaß und ich habe Freude daran, mich mit Menschen darüber auszutauschen und Inspiration zu bekommen.

Fazit ist: Man kann den Agentur-Alltag ebenfalls nachhaltig gestalten, auch wenn das auf den ersten Blick als Dienstleister in der Medienbranche nicht möglich erscheint. Es geht nicht darum, von einem Tag auf den anderen alles zu verändern, sondern für das Thema zu sensibilisieren, Workflows und Lieferketten zu hinterfragen und möglicherweise effizienter zu machen und damit Ressourcen (und vielleicht auch den Geldbeutel) zu schonen.

Header-Foto: © Daniel Dornhöfer


Helen Dreesen
© Daniel Dornhöfer

Helen Dreesen

Helen Dreesen ist gebürtige Frankfurterin und startete nach ihrem Masterstudium in Filmwissenschaften in die hessische Spielfilmbranche. Dort arbeitete sie bei verschiedensten Produktionen mit und absolvierte 2021 ihre Weiterbildung als IHK-zertifizierte Green Consultant. Im Anschluss betreute sie den Kurzfilm „Erinnerungen einer vergessenen Kindheit“ und den Spielfilm „Chaos & Stille“ als Green Consultant. Das Thema Nachhaltigkeit versucht sie nun in all ihren Projekten und Arbeitsstätten zu platzieren.


Veröffentlicht: 11.01.2023


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