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© Renato Alves / Coco Lores

Mode made natürlich in Hessen

- Teil 2 -

Die Frankfurt Fashion Week positioniert sich mit einer konsequent nachhaltigen Agenda und forciert die Transformation hin zu einer modernen, ressourcenschonenden und -effizienten Branche. Mit den drei Leitkonferenzen "The New European Bauhaus", "Fashionsustain" und dem "SDG Summit" geht sie bewusst neue Wege. Von Frankfurt aus soll das Bewusstsein für die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen in die internationale Textil- und Modewelt ausstrahlen. Viele Designerinnen und Designer zeigen, dass Nachhaltigkeit in Hessen mehr ist als ein Modebegriff.

Reststoffe wie Mikroplastik, Wasserverbrauch, der Einsatz schädlicher Chemikalien und die Emission von Treibhausgasen – die Produktionsketten der Textilbranche sind in ihrer globalen Dimension von hoher Relevanz für den Umwelt- und Klimaschutz. [1] Derzeit verursacht die Branche jährlich 1,2 Milliarden Tonnen CO2 – und damit mehr als internationale Flüge und Kreuzfahrten zusammen. In punkto sozialer Nachhaltigkeit gibt etwa mangelnder Arbeitsschutz an Produktionsstandorten regelmäßig Anlass zu öffentlichkeitswirksamen Debatten. Diese stehen in engem Kontext mit dem gegenwärtigen Diskurs über nachhaltige Lieferketten, denen auch von Seiten der Politik ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. Nach einer Untersuchung der britischen Ellen-MacArthur-Stiftung [2] aus dem Jahr 2017 könnte von der gesamten Textilindustrie bis 2050 ein Viertel des klimaschädlichen CO2-Ausstoßes ausgehen. Ein nachdrückliches Umdenken ist notwendig.

»Durch den wirtschaftlichen Einbruch, den die Modeindustrie im Zuge der Coronakrise erfahren hat, wurde noch sichtbarer, was wirklich falsch läuft. Schon lange wissen wir um die Überproduktion in der Textilindustrie, das Fehlen von nachhaltigen Standards, und wir sehen auch, dass alte Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren. Das Thema Sustainable Fashion wird wichtiger und gewinnt im Entscheidungsprozess der Kundinnen und Kunden für ein Kleidungsstück an Bedeutung.«

Christine Fehrenbach, Designerin und Vorstand bei Hessen Design e.V.

Nachhaltigkeit als Markenkern

Zahlreiche hessische Designerinnen und Designer, kleine Labels und große Player wie Hess Natur in Butzbach und andere große Firmen haben das Thema Nachhaltigkeit zu ihrem Markenkern erhoben. Einige setzen dabei zum Beispiel konsequent auf Materialinnovationen, um umweltschonende und langlebige Kleidung zu produzieren. Dass sich ökologisches Denken und Unternehmergeist nicht ausschließen, beweist der deutsche Ökomode-Marktführer Hess Natur: Im Pandemie-Jahr 2020 verzeichnete das Unternehmen aus Butzbach, und das entgegen dem allgemeinen Trend in der Textilindustrie, einen Rekordumsatz.

Auch viele kleine Unternehmen im Textil- und Modebereich gehen in Hessen neue, nachhaltigere Wege. In Kassel etwa näht Kira Kimm mit ihrem Upcycling-Label Soki aus alter Bettwäsche neue Boxershorts, und Modedesignerin Sophia Schneider-Esleben verwendet für ihre High-Fashion-Produkte ausschließlich Biobaumwolle und lässt sie in kleinen Mengen in einem integrativen Wohn- und Arbeitsprojekt in Chemnitz fertigen. Im mittelhessischen Hüttenberg setzt Designerin Helena Harfst auf Slow Fashion: Ihre Kollektionen entstehen in Handarbeit und werden ausschließlich aus natürlichen Materialien wie Leinen, Hanf, Wolle oder Baumwolle gefertigt. Das Gießener Modelabel espero, 2020 von Tim Weinel gegründet, produziert faire Mode und spendet einen Teil des Gewinns an Tierschutz-Organisationen.

High Fashion mit Verantwortung

Nachhaltigkeit bei Textilien hört in Hessen nicht an den Laufstegen auf, auch viele Marken im Bereich High Fashion setzen auf sozial- und umweltverträgliche Produktionen. Die Designertaschen von Alexandra Svendsen etwa werden zu 100 Prozent in Deutschland und ausschließlich aus mehrfach bio-zertifiziertem Natur-Rinderleder aus dem Allgäu produziert. Und die Initiatorinnen von Stitch by Stich in Frankfurt zeigen, wie soziale Verantwortung im Modebereich aussehen kann: Nicole von Alvensleben und Claudia Frick haben gemeinsam mit professionellen Schneiderinnen, die aus ihrer Heimat nach Deutschland flüchten mussten, eine B2B Schneider-Werkstatt gegründet, um kleine Serien-Produktionen für lokale Start-Up Mode Labels anzufertigen. 

»Unsere Idee war, Integration nicht als Almosen zu verstehen, sondern Flüchtlinge so einzusetzen, dass sie ihre Fähigkeiten und Leistungen zeigen und sich auf diese Weise selbst etwas erarbeiten können.«

Nicole von Alvensleben Geschäftsführerin "Stitch by Stitch"

Zu ihren Kunden zählt auch das Label für nachhaltige Business-Mode Coco Lores in Frankfurt von Designerin Olivia Dahlem. Stücke für das eigene Label fertigt "Stitch by Stitch" aus zertifizierter Bio-Baumwolle an.

Weitere High Fashion Labes finden sich zum Beispiel in Frankfurt mit Eva Kress, dem Menswear-Label Stunz ist Kunz von Gabriel Kunz oder Eva Wegner.

Business-Mode made in Frankfurt von dem Label Coco Lores
© Renato Alves / Coco Lores
Business-Mode made in Frankfurt von dem Label Coco Lores

In eigener Sache

Weitere Interviews, Gastbeiträge und News zum Thema Mode aus Hessen veröffentlichen wir in den kommenden Wochen hier im Magazin-Bereich. Auch Themen aus den anderen Branchen der Kreativwirtschaft finden hier Platz. Für Hinweise, worüber wir unbedingt berichten sollten, haben wir stets ein offenes Ohr via kreativwirtschaft@hessen-agentur.de


Veröffentlicht: 07.07.2021


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