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© Agentur Fünfwerken

"Männer sind Markenfetischisten, Frauen wollen en-vogue sein"

Interview mit Modemanagement-Experte Christian Duncker

Kaufen Männer und Frauen Mode nach unterschiedlichen Kriterien? Welchen Einfluss haben Influencer auf unser Konsumverhalten? Und womit können Modeläden heutzutage punkten? Die "Hessische Wirtschaft" hat mit einem gesprochen, der es wissen muss: Modemanagement-Experte Christian Duncker. Er ist Studiendekan an der AMD Akademie Mode & Design in Wiesbaden.

Herr Duncker, Karl Lagerfeld hat einmal gesagt, wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren, stimmt das noch? 

Eine gute Frage! Die Fashion-Marke "Karl Lagerfeld" gibt es ja heute noch. Aber schauen Sie mal auf deren Website! Da finden Sie auch Sporthosen, die dem Stil einer Jogginghose entsprechen... Zumindest nehmen die heutigen Inhaber der Markenrechte diese Aussage nicht mehr so ganz ernst wie seinerzeit der Namensgeber.

Sie befragen einmal im Jahr mit dem GermanFashion Modeverband Konsumenten über ihr Kaufverhalten. Ihre neue Studie zeigt erste Hinweise, dass klassische Kleidungsstile wieder im Kommen sind. Haben jetzt alle genug von "casual"? 

Unsere Studie zeigt, dass Bequemlichkeit und Passgenauigkeit beim Modekauf eindeutig im Vordergrund stehen. Das passt natürlich perfekt zum "casual"-Style. Allerdings ziehen wir uns so eher im häuslichen Bereich an. Gerade durch das lange Eingesperrt-Sein im Lockdown kommt zunehmend der Wunsch auf unter Menschen zu kommen – und dies dann gern wieder mit eher ausdrucksvollen, und tendenziell eleganteren Stilen. Übrigens besonders bei jungen Menschen, die ja modisch grundsätzlich die Trendsetter sind.

Welche Auswirkungen hat der Lockdown auf die Modebranche? 

Alles in allem Böse. Online wächst zwar, kompensiert aber längst nicht die Verluste des stationären Einzelhandels. Allerdings glaube ich nicht, dass diese Entwicklung dauerhaft anhält. Mode ist sensorisch. Man will die Sachen anfassen, anprobieren, und am liebsten gleich mitnehmen. Das ist beim Internet-Shopping sehr aufwändig. Die Rücksendungsquoten sind entsprechend hoch. Daher gehe ich davon aus, dass der stationäre Handel wieder floriert, sobald die Pandemie medizinisch und politisch im Griff ist. Allerdings mit zeitlichem Verzug, und nicht wieder mit den gleichen Umsätzen, wie vor der Pandemie…

Womit können die Modeläden dann punkten? 

Der Handel muss aufpassen! Die Styles fächern sich immer mehr auf, es gibt eine enorme Vielfalt. Deshalb sollte man sich fragen: Wer ist unsere Zielgruppe? Für alles stehen zu wollen funktioniert nicht mehr. Mein Rat: Jeder Händler sollte sich eine konkrete Richtung auf die Fahne schreiben und die entsprechende Zielgruppe ebenso konsequent wie kompetent bedienen.

Ihre Studie zeigt, dass Nachhaltigkeit beim Kleidungskauf nicht so bedeutend ist wie gedacht. Warum ist das so? 

Nun, das hat mit dem Antwortverhalten zu tun. Fragt man Konsumenten direkt, ob ihnen Nachhaltigkeit wichtig ist, sagt fast jeder "ja". Wir fragen hingegen allgemein nach Entscheidungskriterien beim Kauf von Mode – und hier steht Nachhaltigkeit erst an siebter Stelle. Viel wichtiger sind den Modekonsumenten Kriterien wie Passgenauigkeit, Bequemlichkeit, Stil, Qualität und andere mehr. Egal in welcher Altersgruppe, egal ob Frau oder Mann…

Stichwort Mann und Frau: Über das Kaufverhalten der Geschlechter gibt es ja viele Witze und Vorurteile. Mal ernsthaft, kaufen Männer und Frauen wirklich unterschiedlich ein? 

Ja. Männer sind eher Markenfetischisten, Frauen wollen en-vogue sein, kaufen häufiger neue Kleidung, dafür aber günstiger. Das sieht man übrigens deutlich auf dem Kassenbon. Für ein Kleidungsstück zahlen Männer 30 bis 40 Prozent mehr als Frauen.

Die Bedeutung von Influencern wird in Ihrer Studie deutlich relativiert. Nur rund ein Zehntel der Befragten scheint auf sie zu hören. Wann ist es für ein Unternehmen überhaupt sinnvoll, auf Influencer zu setzen? 

Influencer haben eine recht enge Nutzergruppe: weit überwiegend Frauen unter 25 Jahren. Daher sollten Unternehmen sehr genau prüfen, ob die eigene Zielgruppe mit der eines Influencers übereinstimmt. Zudem nimmt langsam deren Vertrauenswürdigkeit ab: immer mehr Menschen durchschauen, dass es hierbei um bezahlte Geschäftsmodelle handelt.

Wiesbaden ist neben Berlin, Düsseldorf, Hamburg und Berlin der fünfte Standort der AMD Akademie Mode & Design. Was hat den Ausschlag für Wiesbaden gegeben? 

In Wiesbaden hat die Hochschule Fresenius, zu der die AMD als Fachbereich Design gehört, ihre Wurzeln – hier gründete Carl Remigius Fresenius 1848 sein Chemisches Laboratorium. Mit Einzug der Hochschule Fresenius in die Moritzstraße war es nur folgerichtig, auch die AMD hier anzusiedeln.

Die AMD verbindet in ihren Studiengängen die kreativen und die betriebswirtschaftlichen Aspekte der Mode. Was machen ihre Absolventen später und wie sind die Berufsaussichten? 

Sehr populär sind Startups – junge und kreative Fashion-Labels sind zurzeit richtig "in". Andere gehen lieber zu den großen Labels. Diese haben mehr Geld, wechseln häufiger Teile ihrer Kollektionen, und machen zunehmend auch spannende Capsule Collections. Da gibt es im Fashion- und Brand-Management viele spannende Aufgaben. Und man hat eben eine große Reichweite.

Welchen Modetrend sollte man im Sommer auf keinen Fall verpassen? 

Es existieren so viele Trends! Alles ist derzeit möglich. Schauen Sie sich nur die Hosenmode an: von Skinny zur Bundfalte, selbst die Schlaghose ist zurück. Auf den Punkt gebracht: Mode ist aktuell Geschmackssache – im wahrsten Sinne des Wortes!


Duncker
© privat

Christian Duncker

AMD Akademie Mode & Design

Dr. Christian Duncker ist in Wiesbaden Studiendekan für Mode- und Designmanagement an der AMD Akademie Mode & Design. Hier vertritt er vor allem Fragen rund um das ganzheitliche Management von Modemarken. Zuvor war er für verschiedene Marketing- und Fashion-Studiengänge an der Brand University in Hamburg, und an der International School of Management (ISM) in München verantwortlich. Christian Duncker führt seit dem letzten Jahr in Kooperation mit dem GermanFashion Modeverband jährlich die repräsentative Marktstudie "GermanFashion Consumer Panel" durch.

Göttig
© Annika List

Das Interview führte Friedemann Götting

IHK Wiesbaden

Prof. Dr. Friedemann Götting ist stv. Hauptgeschäftsführer der IHK Wiesbaden und unterrichtet Europäisches Privatrecht an der Hochschule RheinMain, Wiesbaden Business School. Er hat in Hamburg Rechtswissenschaften studiert, beide Staatsexamen absolviert und im Europarecht promoviert. Für den Dachverband der IHKs, den DIHK, hat er in Berlin und Brüssel im Wirtschaftsrecht gearbeitet. Er schreibt als Redakteur auch regelmäßig im IHK-Magazin Hessische Wirtschaft.


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