Workspace Altes Gericht
© Paul Müller

"Das Alte Gericht ist das, was du draus machst!"

Das Alte Gericht in Wiesbaden wird zum Zentrum für Gründerinnen und Gründer – und viele und vieles mehr. Eine Idee, die 2015 entstanden ist, wird 2022 Wirklichkeit. Ein Gespräch mit dem Initiator des Vorhabens, Dominik Hofmann, über das, was ihn antreibt und darüber, was Wiesbaden und die Region RheinMain vom Alten Gericht erwarten können.

Dominik, du steckst seit acht Jahren viel Energie in die Idee, das Alte Gericht in Wiesbaden zu einem kreativen Hub für Stadt und Region zu machen. Hast du eine persönliche Verbundenheit zur Region oder zum Alten Gericht selbst?

Meine Frau und ich haben eine Zeit lang in New York gelebt und viele Leute getroffen, die sich dort etwas aufgebaut haben. Wir haben deren Lebensentwürfe und Biografien kennengelernt, das war sehr motivierend für uns und wir wussten, wir wollen uns auch etwas eigenes aufbauen.

Das sollte allerdings nicht an ein Visum gekoppelt sein, weshalb wir wieder zurück nach Deutschland gezogen sind. Hier haben wir uns für unsere Wahlheimat Wiesbaden entschieden.

Was mich am RheinMain Gebiet immer schon fasziniert, ist dass man wirklich noch etwas Neues mitbringen kann. Die Region ist einerseits groß genug, um Leute und Ressourcen zu finden, andererseits klein genug, um auf eine familiäre, freundschaftliche Art Sachen anzugehen, mitzugestalten und umzusetzen. Deshalb haben wir schlussendlich den heimathafen in Wiesbaden aufgebaut.

Bald ist es so weit: Du beziehst mit deinem Team 2.500 Quadratmeter im Alten Gericht. Das ist eine Menge realer Raum in einer zunehmend digitalisierten Welt. Warum braucht es Orte wie diesen – vielleicht sogar mehr denn je?

Wir haben in den letzten zehn Jahren mit dem heimathafen gemerkt, welche Kraft ein tatsächlicher Ort bzw. die Verortung von Netzwerken hat. Nach der Pandemie haben viele auch einfach keine Lust mehr auf digitale Veranstaltungen. Auch wenn Corona den Um- und Aufbau des Alten Gerichts beeinträchtigt hat, denke ich, dass es so einen Ort nach Corona sogar mehr braucht als davor.

Auch bauen viele Firmen Büroflächen ab und Remote Working wird immer mehr umgesetzt. Wenn dann aber doch ein Platz vor Ort benötigt wird, ist es meistens einer, der die Leute zusammenbringt und mehr bietet als einen Schreibtisch. Das war auch seit jeher die Definition des Alten Gerichts. Natürlich gibt es dort auch den einzelnen Arbeitsplatz, aber der eigentliche Wert entsteht aus der Community und aus der Vernetzung.

»Im Alten Gericht passieren die spannendsten Dinge abseits des Schreibtischs.«

Einen Ort #VonVielenFürViele – unter diesem Slogan habt ihr das Projekt von Beginn an gestellt. Was bedeutet das konkret?

Das Alte Gericht ist das, was du draus machst! Deshalb auch das Hashtag #VonVielenFürViele. Hoffentlich kommen die besten Ideen, die im Alten Gericht entstehen, dann gar nicht von uns.

Wir wollen eine große Bühne für ganz viele Menschen, Institutionen und Teams bauen, die einen Platz brauchen, um ihre eigenen Ideen zu realisieren. Deswegen haben wir so viele Flächen, die wir gar nicht inhaltlich bespielen. Denn:

»Wir glauben, das Alte Gericht wird nicht geil, weil wir das sind, sondern weil ihr das seid.«

Welche Angebote schafft ihr auf der Fläche – und für wen?

Es gibt ein paar Bereiche, auf die wir gerne einen Fokus legen wollen und das ist einmal die Gründungs- und Start-up-Förderung. Wir sind uns sicher, dass es einfach eine Erneuerung in Deutschland braucht. Gerade im Gründerbereich sind wir gut aufgestellt, mit Beraterinnen und Beratern, Investorenkreisen und Hochschulen. Eine Fokusgruppe von uns sind ganz besonders die, die nicht nur ein Business Modell, sondern auch ein Wirkungsmodell haben.

Die andere Fokusgruppe sind Kreative – egal ob Solo-Selbständiger, Freelancer oder kleine wie auch große Agenturen.

»Kreative haben Stärken, die die Welt und gerade Deutschland braucht. Dazu gehören unter vielem anderen ein hohes Maß an Lösungsfindungskompetenz und Kommunikationsfähigkeit.«

Wir wollen Weltverbesserer und Engagierte, Kreative, Gründer, Start-ups und Unternehmen und Institutionen jeglicher Größe zusammenbringen. Wir glauben, dass genau an der Schnittstelle dieser Gruppen Möglichkeiten entstehen. Wir sehen uns als Kuratoren, die mit Veranstaltungen und den Räumlichkeiten die Rahmenbedingungen für Gemeinschaft schaffen.

Deshalb auch hier die Einladung an die hessische Kreativwirtschaft, das Alte Gericht zu einem Ort zu machen, an dem wir unsere kreative Zukunft verhandeln. Egal ob Unternehmen, Verein oder Einzelperson: Alle sind willkommen, das Alte Gericht als Creative Hub zu gestalten.

Das Team des heimathafen ist motiviert für den Start im Alten Gericht.
© heimathafen
Das Team des heimathafen ist motiviert für den Start im Alten Gericht.

Die Fläche des Alten Gerichts ist um ein Vielfaches größer als der bisherige heimathafen in der Karlstraße. Kannst du uns einen groben Überblick geben, wie die Räumlichkeiten des Alten Gerichts aufgebaut sein werden?

Es wird eine bunte Mischung aus verschiedenen Bereichen sein. Das Erdgeschoss soll komplett öffentlich werden mit dem Café bzw. der Tag-Bar im Ostflügel.

Im Westflügel beginnt dann der Coworking Bereich. Dabei wird im Erdgeschoss der Coworking Club untergebracht sein, der sich primär an Leute richtet, die nicht unbedingt einen Schreibtisch brauchen, sich allerdings ein tolles Netzwerk und spannende Leute wünschen. So eine Art Teilzeit Coworking. Dort gibt es zum Beispiel auch einen Clubraum, um die Community zu treffen.

Im ersten Stock gibt es die Coworking Pro Area. Das ist dann der Bereich für die Leute, die im Alten Gericht gerne ihren primären Arbeitsplatz hätten, vielleicht sogar den Geschäftssitz. Außerdem sind dort die Konferenz-Räumlichkeiten. Zur Verfügung stehen sieben Räume, in denen zwischen zehn und 110 Leute Platz finden. Dann gibt es eher kleinere Besprechungsräume bis hin zum großen, alten Schwurgerichtssaal mit dem alten Mobiliar von 1897.

Neben der Größe – was wird sich noch ändern im Vergleich zum bisherigen Konzept des heimathafens in der Karlstraße?

Bisher haben wir oft nur den Rahmen geschaffen und waren gar nicht groß an den Inhalten beteiligt. Deshalb möchten wir eine gemeinnützige Gesellschaft gründen, die Inhalte in den Vordergrund stellt. Diese gibt uns die Freiheit auch wirklich inhaltlich selbst zu arbeiten und aus diesem ökonomischen Druck rauszukommen. Die GmbH & Co. KG, die wir bisher sind, wird dabei die ganze Infrastruktur bereitstellen, also die Gastronomie, Vermietung von Räumen usw.

Gab es bestimmte Angebote (oder Konzepte), bei denen ihr von Anfang an wusstet, die müssen dabei sein?

Wir werden wieder eine Gastro haben, die ist uns sehr wichtig. Die Gastronomie führt dazu, dass wir offen sind und jeder jederzeit vorbeikommen kann. Es gibt bereits einige Hubs in der Region, die oftmals nur als Mitglied zugänglich sind. Das Café ist deshalb der offene Arm in die Stadt und in die Region – oder ins ganze Land.

»Wir gründen das Alte Gericht schon auch ein bisschen utopisch. Was uns beschäftigt, ist die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft, also wie wir zusammenleben möchten.«

Im Sinne des Open Innovation Hubs haben wir uns deshalb entschlossen, die alte Civilkammer (damals noch mit C geschrieben) als Social Innovation Hub wieder zu eröffnen. Dort geht es um die großen Themen wie Überalterung, Urbanisierung und Chancengleichheit. Es soll aber auch um die Probleme im Kleinen, Persönlichen gehen, etwa die mentale Gesundheit. Gründung oder Selbstständigkeit sind oftmals instabile Lebenssituationen, in denen einige Menschen Burnout gefährdet sind. Uns ist wichtig, eine gute Balance zwischen „Machertum“ und eigener Gesundheit zu finden.

Ein erklärtes Ziel ist, den branchenübergreifenden Austausch hin zu „Open Innovation“ zu fördern. Was verstehst du unter diesem Zauberwort und wer kann davon profitieren?

Geschlossene Innovation bedeutet, ein Unternehmen hat ein Innovationsproblem und beauftragt dann jemanden dieses Problem zu lösen. Das ist ein oftmals sehr langsamer und abgekapselter Prozess.

Wir sagen: Mach´ doch das gesamte RheinMain Gebiet zu deiner Innovationsabteilung. Der Ansatz ist, die internen Innovationsprobleme in die Community zu geben. Wir kümmern uns dann um die Organisation der besten Köpfe aus den unterschiedlichsten Disziplinen, mit den unterschiedlichsten Skills und Perspektiven, um dann durch die verschiedenen Impulse auf Ideen zu kommen, die einem sonst nicht einfallen würden.

Unsere Aufgabe ist es deshalb, mit unserem großen Netzwerk gute Events zu veranstalten und Matchmaking zu betreiben. Das ist die Idee des Alten Gerichts als Open Innovation Hub.

Imposant: Das Alte Gericht in Wiesbaden.
© heimathafen
Imposant: Das Alte Gericht in Wiesbaden.

Was waren und sind die größten Herausforderungen auf dem Weg zum Open Innovation Hub Altes Gericht?

Das ganze Projekt ist nicht unbedingt etwas, das optimiert ist auf Renditen. Wir definieren oft erst ein Wirkungsziel und machen uns dann Gedanken, wie wir ein Business Modell darum bauen. Deshalb ist die Finanzierung immer ein großes Thema. Zunächst die Anfangsinvestition, dann aber auch die laufenden Kosten. Zum Glück gibt es eine Förderung der Stadt und natürlich unsere großartige Community, die dieses „VonVieleFürViele“ wirklich lebt und mit Skills und Ressourcen im Projekt involviert war, sei es durch Beratung, Design, Engagement oder Zwischenfinanzierungen.

Auf der anderen Seite war ein Projekt in diesem Ausmaß auch erst mal Neuland für uns und wir mussten uns viele Fähigkeiten und Prozesse während der Planung aneignen, mit denen wir bisher eher nicht gearbeitet haben.

Die Vision für das Alte Gericht habt ihr auf euren Social-Media-Kanälen mit der Öffentlichkeit geteilt. Was war euch besonders wichtig der Community (frühzeitig) zu vermitteln?

Uns war wichtig der Community zu vermitteln, dass dieser Ort für sie ist und von der Community sozusagen eingenommen wird. Und daher war unsere Social Media Präsenz im Prinzip von Tag 1 eine Einladung mitzudenken und mitzuprägen, was da eigentlich entstehen soll. Die Konzeption ist durch den kollaborativen Input von vielen verschiedenen Leuten entstanden. Was braucht die Stadt? Was braucht ihr? Was brauchen wir?

»Das ist die Magie des Alten Gerichts. Es wird sich immer weiterentwickeln und dauerhaft spannend bleiben. Und dabei ist die Community das Fundament, auf dem wir aufbauen.«

Angenommen unsere Leserinnen und Leser möchten Teil des Alten Gerichts werden. Wie kann man daran teilhaben?

Das ist tatsächlich sehr individuell. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das zeigt schon das Coworking. Da gibt es eine einfache Mitgliedschaft, in der man ein Profil hat, unter dem Kontakte aufgebaut oder Gesuche inseriert werden können, wenn man theoretisch keinen Schreibtisch dort braucht, aber Teil der Community sein will und den regelmäßigen Austausch sucht. Für dieses Membership wird es dann voraussichtlich einen Community Day geben, an dem alle kommen können. Danach kommt der Coworking Club für Leute, die regelmäßig kommen möchten, aber dort nicht ihren Hauptarbeitsplatz haben. Dabei kann man zwei Tage die Woche flexibel kommen und dort die Räumlichkeiten nutzen (z. B. Besprechungsräume, klassische Schreibtische und den Clubraum). Und dann gibt es obendrauf immer mehr Stufen, bis hin zu sieben Tage die Woche, einen festen Schreibtischplatz oder sogar den Geschäftssitz im Alten Gericht. Da gibt es dann verschiedene Tarifstufen, dass im Prinzip jeder auf irgendeine Weise Coworker sein kann. Natürlich wird es auch allerlei Community Events geben und einen Pool an Beraterinnen und Beratern für jegliche Bereiche.

Hast du ein persönliches Highlight oder einen Lieblingsort im Alten Gericht?

Für mich ist es wirklich das Alte Gericht als Ganzes. Ein Architekt hat zu uns gesagt, das sei ein historistischer Einschüchterungsbau. Dass wir diesen alten, wunderschönen Bau so nützen dürfen und das totale Gegenteil daraus machen möchten, also einen Ort der offen für alle ist und Mut für die Zukunft machen soll, ist sehr cool.

Mein Highlight, was spezifische Orte angeht, ist der alte Schwurgerichtssaal mit dem alten Mobiliar und unsere Civilkammer. Aber auch Räumlichkeiten, die im starken Kontrast zu den eleganten Räumen stehen, wie zum Beispiel die Katakomben mit Gewölbekeller und den alten Zellen.

Dann habe ich nur noch eine Frage: Was hast du für die Zukunft geplant?

Ende des Jahres soll alles im Alten Gericht langsam in Betrieb gehen, richtig losgehen wird es wohl Richtung Frühjahr. Wir sehen es so: Die Eröffnung ist eigentlich erst der Anfang. Zuerst wollen wir im Moment die Infrastruktur noch richtig aufbauen und dann nach und nach alles mit Inhalten bestücken. Wir haben viele Träume für die Civilkammer und den Open Innovation Hub. Es gibt viele Pläne, Visionen und Motivationen. Aber jetzt heißt es erst mal erfolgreich eröffnen.

An dieser Stelle auch nochmal die Einladung: Das Alte Gericht ist das ehemalige hessische Landgericht und es soll auch wirklich für ganz Hessen offen sein und Leute und Themen auch weit über Wiesbaden hinaus zusammenbringen.

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Dominik!

Das Gespräch führte: Anna Sommer

Redaktion & Lektorat: Regina Giebel und Daniela Hartmann


Dominik Hofmann Portrait
© Paul Müller

Dominik Hofmann

Gründer und Geschäftsführer des heimathafen Wiesbaden

Dominik Hofmann mischt seit 10 Jahren mit dem heimathafen Wiesbaden die hessische Landeshauptstadt auf. Er ist Wahl-Wiesbadener, von Beruf Unternehmer und von Herzen "Potentialentfalter". Der Diplomkaufmann und Magister der Publizistik ist Dozent für Social Entrepreneurship & Lean Startup, verheiratet mit einer Wort-Künstlerin und Vater dreier Töchter. Er unterstützt zahlreiche (Social) Startups und begleitet Corporates bei der Transformation.


Logo heimathafen

heimathafen GmbH & Co. KG

2.500qm Raum für Zukunft – das ist die heimathafen Vision für das ehemalige hessische Landgericht: Ein Hub für Kreativität, Gründergeist & soziale Innovation. Ein öffentliches Café, Coworking & Büros für Kreative & Gründerinnen und Gründer, Konferenz- und Eventräume sowie ein Labor für soziale Innovation – hier entsteht ein Ort #VonVielenFürViele. Das Alte Gericht soll ein echter Teilchenbeschleuniger werden: Wer es betritt, soll verändert wieder rausgehen.

heimathafen Wiesbaden - Coworking Café Konferenzräume Events

Veröffentlicht: 01.12.2022