Welche zentralen Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz und Digitalisierung siehst du in naher Zukunft, besonders mit Blick auf die Kreativwirtschaft?
Bis vor Kurzem schien für viele Kreative KI noch Konkurrenz zu sein für das eigene Schaffen. Der Algorithmus als Musiker, als Autor oder Werbetexter war das Feindbild. Heute haben wir ein differenzierteres Bild. Es wird deutlich, dass Kreativität eine der großen Stärken des Menschen ist. Gerade Berufe, die auf Ideenreichtum und experimentelle Lösungen bauen, haben eine glänzende Zukunft. Gleichwohl werden schon viele niedrig-kreative Arbeiten an Künstliche Intelligenz ausgelagert: Fahrstuhlmusik, SEO-Texte oder Alltags-Übersetzungen. Bestimmte Teilbereiche der Kreativwirtschaft, wie die Games- oder Filmindustrie, kommen ohne KI-Tools gar nicht mehr aus.
Auch ist klar, dass Künstliche Intelligenz die entscheidende Rolle spielt bei der Auswahl und Verteilung kreativer Inhalte. Die Kreativwirtschaft muss sich darauf einstellen, dass Algorithmen eine wichtige "Zielgruppe" werden. Nur wenn diese Programme die Ankündigung einer Ausstellung verstehen, ein Lied oder einen Film hoch ranken, den Inhalt eines Buches begreifen, stellen sie die Verbindungen zu den Endkunden her. Darin steckt viel Potenzial, denn wer das Spiel der dafür nötigen Metadaten beherrscht, erreicht mehr Kundschaft.
Da du nun die Außenperspektive hast: Welche kreativen, vielleicht auch ungenutzten Potenziale siehst du in Hessen?
Hessen scheint ein echter Underdog zu sein. Wenn ich sage, woher ich komme, muss ich mir dauernd anhören, dass ich jetzt aber froh sein könne, von dort weg zu sein. Das Gegenteil ist natürlich der Fall! Aber Hessen macht es seinen Kritikern auch leicht: Wir haben zwar einzelne Kampagnen wie "Kultur in Hessen" oder "Feels like Hessen", doch fehlen dem Bundesland eine starke emotionale Markenidentität und aufsehenerregende Aktionen, in denen diese sichtbar wird. Allerdings erreicht man eine solche Marke nicht, indem man es allen recht macht, jede Stadt, jedes politische Ressort und jedes wirtschaftliche Segment als gleich wichtig kommuniziert. Dann sind zwar intern alle Stakeholder zufrieden gestellt, nach draußen dringt aber nur grauer Brei. Andere Bundesländer spitzen das zu mit Tradition/Innovation, selbstironischem Erfindungsreichtum oder sexy Vielfalt. Was wäre dieser klare Fokus für Hessen und wie könnte man beispielsweise die Hamburger zu Hessen-Fans machen? Das wäre mal ein spannendes Projekt!